X feiert Geburtstag und wir steigen schon vor der Party aus. Vor einem Jahr, am 24. Juli 2023, kündigte Inhaber Elon Musk durch die Namensänderung von Twitter auf X einen digitalen Raketenstart an. Doch: Der blieb gänzlich aus und die Plattform hat immens an Bedeutung verloren. Statt des altbekannten Taubenblaus sehen wir nun schwarz und fragen: Auf welche Alternativen sollten Unternehmen setzen?
Bereits im Oktober 2023 haben wir in einem Blogbeitrag geraten, X zu verlassen. Die Gründe in Kürze:
- Nach der Übernahme von Musk und der darauffolgenden Umbenennung ist X zu einem Sammelbecken für Hate Speech und unfundierten Output geworden.
- Er selbst positioniert sich bei den US-Rechten und treibt seit der Übernahme eine Ausbreitung Gleichgesinnter auf der Plattform voran. X solle laut Musk zu einem politisch neutraleren Ort werden. „against censorship that goes far beyond the law”, twitterte er und entließ rund 8.000 Mitarbeitende, die unter anderem für das Monitoring der Plattform zuständig waren. Der einstige Nachrichtenkanal wird wenig überwacht und lässt nun Schlupflöcher für ein Chaos aus gekauften blauen Haken und unkontrollierten Threads.
- Auch die sinkenden Nutzer:innenzahlen zeigen, dass X zunehmend an Bedeutung verliert. Manchmal scheint die einzige Bedeutung von Twitter zwar wieder schlaglichtartig auf, etwa am Wochenende, als US-Präsident Joe Biden auf dem ehemaligen Newskanal seinen Rückzug bekanntgab und kurzzeitig die ganze Welt auf X schaute. Im Jahresvergleich jedoch hat der Kanal fast 25 Prozent an aktiven Usern verloren. Die Zahlen stammen aus den USA, hierzulande aber dürften sie ähnlich sein:
Wenn sich Unternehmen also weiterhin seriös positionieren möchten, müssen sie auf andere Kanäle ausweichen. Und so viel sei gesagt: Während X ein Jahr lang Stück für Stück gen Boden versumpfte, strampelte sich ein Pulk an neuen Plattformen frei.
Threads App: der Meta-Klon?
Nur wenige Tage vor dem Twitter/X-Wechsel gegründet und für Nutzer:innen aus der EU seit Dezember zugänglich, setzt die Meta-App Threads da an, wo X versagt: einer friedlichen Atmosphäre. Auch Threads ist eine Kurznachrichtenplattform: Text bis zu 500 Zeichen, Einbindung von Fotos, Videos, GIFs oder Sprachnachrichten, Views, Shares und der @-Tag.
Die Voraussetzung zur Nutzung ist ein bestehender Instagram-Account. So funktioniert Threads als eine Art Abspaltung der Plattform für zusätzlichen Output, der den Fokus vom Bild auf den Text verschiebt oder beides verknüpft. Was gepostet wird, bleibt jedem selbst überlassen, die Plattformen müssen nicht auf dem Content der jeweils anderen aufbauen – lediglich der Nutzername ist derselbe. Trotz des Augenmerks auf Textbeiträge sagt Instagram-Chef Adam Mosseri selbst, der Algorithmus von Threads werde nicht proaktiv dazu beitragen, News zu pushen und zu verbreiten. Im Gegensatz zu Personen aus dem politischen Umfeld hat diese Aussage für Unternehmen zwar weniger Relevanz, macht aber noch einmal die Unterschiede zu X und besonders dem früheren Twitter deutlich.
Threads etabliert sich aktuell als Ort des Entertainments, quasi der lange Arm von Instagram-Bildern und etwas persönlicherer Blick einiger Nutzer:innen auf gesellschaftliche Themen.
Entgegen dem immens schnellen Wachstum zu Beginn (weniger als 5 Tage für 100 Millionen Anmeldungen) schafft es Threads bislang aber nicht, potenzielle User:innen konstant zu begeistern – seit Dezember 2023 fallen sogar die Downloadzahlen. Und das, obwohl uns Meta mit angeteaserten Threads im Instagram-Feed konsequent mit den Inhalten konfrontiert. Aktuell stehen die monatlich aktiven Nutzer:innenzahlen damit bei 175 Millionen (Juli 2024). Im Vergleich: X verzeichnete laut Elon Musk, Stand Mai 2024, 600 Millionen aktive Nutzer pro Monat.
Aktuell scheint die Plattform also trotz des ähnlichen Ansatzes nicht als langfristige X-Alternative zu funktionieren – zumindest noch nicht. Meta rollt allerdings einige neue Features aus, wie bspw. zuletzt im Juni die genauere Anpassung des Algorithmus durch Swipes nach links (nicht interessiert) oder rechts (mehr davon), sodass sich das Bild in einigen Monaten geändert haben könnte.
Erfolgschancen sehen wir vor allem für Unternehmen, die sich bereits auf Instagram etabliert haben und durch den zusätzlichen Output ihre Follower:innen zu mehr Engagement bewegen können. So macht es die Deutsche Bahn: Sie reposten die Brotzeit ihrer Fahrgäste, nutzen Trends und Memes, um ihre Inhalte damit zu verknüpfen und posten knappe Updates.
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TikTok: Rentiert sich der Aufwand für Unternehmen?
Welche TikTok-News wurden Ihnen zuletzt auf Ihr Smartphone gespült? Zur EU-Wahl reihte sich ein Artikel zum Thema „Wahlkampf auf TikTok” an den nächsten: ob Olaf Scholz’ Aktentasche, Luisa Neubauers Zähneputzen-Kampagne oder die Livestreams rechtspopulistischer Parteiangehöriger: TikTok ist längst keine Tanzapp mehr, TikTok ist politisch. Und mit den Inhalten veränderte sich auch die Demografie der User:innen.
So ist zwar der Großteil der Nutzer:innen (rund 39 Prozent) mit 18 bis 24 Jahren immer noch ziemlich jung, es treten jedoch stetig mehr ältere Menschen der Plattform bei bzw. altert TikTok mit seinen User:innen – ein Phänomen, das ja schon viele Social Networks erlebt haben. Ein Drittel ist zwischen 25 und 34 alt, ein Viertel gehört zu den darüber liegenden Kohorten zwischen 35 und 54 Jahren.
Es lassen sich also verschiedene Zielgruppen erreichen. Doch wie können Unternehmen davon profitieren? Wird Business-Content vom Algorithmus geschluckt oder sogar belohnt? Was LinkedIn-User:innen vor allem als Ambassador-Kommunikation kennen, wird auf Tiktok als „employee advocacy” gebrandet – und die boomt! Unternehmen platzieren ihre Mitarbeitenden im Fokus des Contents. Bedeutet konkret: Sie lassen Praktikant:innen offen humorvolle Kommentare veröffentlichen, den Chef mit Fragen der Community löchern oder bei Trends mitmachen – wenig strategischer Unternehmensbezug, viel Persönlichkeit.
So hat beispielsweise das Rucksack-Start-up Aevor durch das Storytelling von Gen-Z-Mitarbeiterin Belinda und Geschäftsführer Felix innerhalb von drei Wochen knapp 100.000 Follower:innen und über drei Millionen Likes gewinnen können.
Zu bekannten Best Cases deutscher Unternehmen zählt der Account der Telekom oder der des Senders ProSieben. Sie nutzen Trend-Sounds, zeigen junge Mitarbeitende und erreichen durch die Einbindung von ironischen Videos Millionen Likes. Besonders ProSieben hat es geschafft, durch spielerische Kommentare unter Videos anderer Creator einen Sonderstatus und große Beliebtheit unter den User:innen zu erreichen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch einer unserer Kunden, die Oldenburgische Landesbank (OLB). Auf dem Account zeigen sich verschiedene Mitarbeiter:innen, besonders aber Auszubildende, unter dem Hashtag #azubilife. Im „OLB Moneytalk“ klären sie über ihre EC-Kartenfunktionen auf, teilen als festes Format regelmäßig „Fantastic Finance Facts“ und nehmen die Follower:innen an ihrem letzten Tag vor dem Urlaub mit.
Besonders gut funktionieren auch hier Videos mit Humor. Das meistgeklickte Video zeigt eine Mitarbeiterin der OLB, die zum Vorwand wahllos auf der Tastatur tippt und dadurch von ihrem Chef als besonders fleißig wahrgenommen wird. Der Clip ist keine zehn Sekunden lang und erreichte (Stand Juli 24) über 300.000 Views.
Doch eine große Herausforderung bleibt: TikTok bietet zwar die Chance, Reichweite zu generieren, erfordert aber auch deutlich mehr Aufwand als X. Es braucht Ambassadors, sehr regelmäßige Uploads (aufgrund der Schnelllebigkeit der Plattform werden ein bis drei Videos pro Tag empfohlen), ein ausgiebiges Community-Management sowie Trendgespür und zumindest etwas Erfahrung im Videoschnitt – zumindest Stand jetzt. Wagt man einen Blick in die Zukunft, könnte diese Hürde bald passé sein. Denn: Tiktok testet aktuell in Australien seinen App-Ableger „Notes” für Text- und Bildinhalte. Ähnlich wie bei Threads lassen sich hier einzelne oder mehrere Bilder im Slide-Modus mit zugehörigen Text posten, inklusive Kommentarfunktion. In Deutschland müssen wir uns noch gedulden und haben bislang nur begrenzte Einblicke über die App-Store Preview. Wer also die Kapazitäten und das Out-of-the-Box-Denken hat, sollte Tiktok definitiv eine Chance geben und darauf spekulieren, dass Notes die Content Creation bald um einige Schritte erleichtert.
WhatsApp Kanäle: Neues Hidden Talent für B2B?
60 Millionen Menschen nutzen in Deutschland WhatsApp. Ein:e User:in verbringt im Durchschnitt täglich mehr als eine halbe Stunde in der App. Wirft man einen Blick auf globale Statistiken, steht die Kommunikationsplattform anhand der aktiven User:innen auf einer Ebene mit Instagram – weit vor TikTok und X.
Die Krux: WhatsApp dient vorrangig als Messenger zum persönlichen Austausch, weniger als Informations- oder Entertainmentquelle. Mit der Einführung von WhatsApp Business Accounts 2018 und der weltweiten Etablierung im vergangenen Jahr hat sich dieses Narrativ jedoch etwas gelockert: Mittlerweile sind weltweit über 50 Millionen Unternehmen und Brands auf der Plattform aktiv, vor allem, um Kundenservice und entsprechend die Kundenbindung zu optimieren.
Unter „Aktuelles” lassen sich Kanäle von Unternehmen, Personen des öffentlichen Lebens, Nachrichtenagenturen bis hin zu Fußballvereinen hinzufügen. Die Updates erscheinen als Statusmeldungen, die man mit Emojis kommentieren oder per Button mit den eigenen Kontakten teilen kann, sofern die Administrator:innen diese Funktion zulassen.
Durch die Beschränkung auf Emojis als Reaktion wird Hatespeech unterbunden, bevor sie überhaupt entstehen kann. Die Channel legen so den Fokus auf Informationsfluss, schließen die Abonnent:innen aber nicht ganz aus. Vor allem Medien- und Digitalmarken stechen als Best Cases heraus – Tagesschau, National Geographics oder Spotify etwa erreichen Follower:innen im Millionenbereich. Klassische Unternehmen halten sich eher zurück. Das könnte auch daran liegen, dass sich WhatsApp noch nicht wie ein klassischer Publishing-Kanal anfühlt: Die Performance der Posts lässt sich – abgesehen vom Emoji-Zählen – nicht tracken. Funktionen, wie wir sie speziell von LinkedIn kennen, sprich Engagement Level, Targets oder Impressions fehlen hier gänzlich, was auch die Motivation beeinflusst, aktiv zu bleiben.
Eine Möglichkeit, Nachrichten vorab automatisiert zu planen oder spezifisch an bestimmte Zielgruppen zu versenden, besteht aktuell nicht. Hinzu kommt, dass sich die Kanäle unter „Aktuelles” links unten immer chronologisch sortieren – wer nicht die Kapazitäten hat, viel zu posten, verschwindet unter den zehn aktuellsten Channels.
Die Plattform eignet sich aus unserer Sicht gut als Zusatz, als Kanal-adäquate Zweitverwertung, um Informationen zu teilen. Der Fokus sollte aber woanders liegen, umso mehr, wenn die Kapazitäten von Unternehmen begrenzt sind, sie ihre KPIs zwingend reporten wollen oder auf Feedback aus sind.
Instagram Broadcast: der moderne Newsletter?
Zugegebenermaßen fallen im Vergleich direkt einige Parallelen zwischen WhatsApp Channels und Instagram Broadcast auf – beides übrigens Produkte aus dem Hause Meta: Der Aufbau von Nachrichten mit Emoji-Resonanz in Chat-Optik ähnelt einander sehr. Instagram Broadcast schafft es allerdings, einen exklusiven und persönlichen Anschein zu erwecken: Um einem Broadcast betreten zu können, muss man Follower:in des entsprechenden Kanals sein und auf die Einladung reagieren (die gerne etwas auf sich warten lässt).
Häufig teilen Corporates den Broadcast-Link zusätzlich in der Bio oder als Sticker in Stories. Erster Vorteil: Die Zielgruppe ist bereits eingegrenzt und definiert. Wer dabei ist, findet die News inmitten seiner privaten Chats. Im Gegensatz zu WhatsApp Channels bindet Instagram Broadcast bereits Sprachnachrichten ein. Wir gehen stark davon aus, dass WhatsApp die Funktion noch nachliefern wird.
Unternehmen oder auch Ambassadors haben über Broadcast die Möglichkeit, einen persönlichen Output zu senden und Follower:innen durch regelmäßige Updates an der Unternehmenskultur und Hintergründen teilhaben zu lassen. Auch Mark Zuckerberg nutzt die Funktion regelmäßig, um Informationen zu senden (wie bspw. die Verkündung von WhatsApp Channels) und sich Feedback durch Umfragen einzuholen.
Neben diesem Feature ermöglicht Instagram Broadcast Fragekarten, sogenannte „Question Prompts” innerhalb des Chats, die die Interaktion zwischen dem Channel und den Follower:innen fördern. Außerdem gibt es die Möglichkeit zur Live-Interaktion mit der Zielgruppe, indem bis zu zehn Follower:innen zu Interviews eingeladen werden können.
Einige deutsche Unternehmen nutzen die Funktion schon. Eines der ersten unter ihnen: der Getränkehersteller Bionade. Seit August 2023 teilt die Marke hier Informationen, den Alltag der Mitarbeitenden und lässt die Follower:innen in Umfragen abstimmen. Dadurch stärken sie nicht nur die Kund:innenbindung, sondern können durch die Umfrageergebnisse präziser auf die Nachfrage eingehen. Um Anreize zu schaffen, im Channel aktiv zu bleiben, finden exklusive Gewinnspiele innerhalb des Broadcasts statt.
Instagram Broadcast bietet mehr Varianz, wirkt offener und geübter in Hinblick auf den Umgang mit der Zielgruppe als der zögerliche Bruder WhatsApp Kanäle – und kann damit eine spannende Chance für Unternehmen sein. Allerdings: Einen Kanal zu erstellen, ist nur über einen Business-Account mit 10.000 Follower:innen möglich. Die Aktivierung funktioniert dafür schnell und unkompliziert: im Direct-Messages-Bereich rechts oben auf das Schreibsymbol tippen, „Broadcast-Channel erstellen“ auswählen, Namen, Zielgruppe und ggf. Enddatum des Channels definieren und zuletzt den Einladungslink an die Zielgruppe senden.
Fazit: Nach X kommt Experimentieren
Fest steht: Ein Twitter 2.0 gibt es bislang nicht. Moderne News-Plattform sind aber auf dem Vormarsch und versuchen das zu sein, was Twitter einmal war: persönlich, informativ und durch das Sender-Empfänger-Prinzip außerdem frei von Hass und Hetze.
TikTok hebt sich dabei als bereits etabliertes und vollumfängliches Social-Media-Forum von seinen Mitstreitern ab. Der Aufwand, die Plattform zu bespielen, ist zwar verhältnismäßig groß, hat aber auch riesiges Potenzial – Stichwort junge Zielgruppe und Viralität.
Threads’ Entwicklung lässt sich noch nicht genau prognostizieren. Umso spannender werden die Meta-Geschwister Whatsapp Channels und Instagram Broadcast: Beide bieten Unternehmen die Möglichkeit, Informationen zu senden, die User:innen an sich zu binden und modern zu bleiben. Aufgrund der zusätzlichen Funktionen im Broadcast und der Direktansprache an die Zielgruppe sehen wir das Instagram-Tool aktuell weiter vorne.
Damit Sie als Unternehmen die richtige Wahl treffen, finden Sie hier ein paar allgemeine Tipps für die Plattform-Auswahl:
- eigenen Ziele und Zielgruppe definieren
- vorerst mit wenigen kurzen Posts aus bestehenden Inhalten experimentieren und sie für die entsprechenden Plattformen anpassen
- anschließend für einen Weg entscheiden und diesen regelmäßig bespielen, um Follower:innen zu binden
- persönlichen Mehrwert durch exklusive Inhalte wie Behind-the-Scenes und, wenn möglich, Fragerunden generieren
- LinkedIn zu Businesszwecken weiterhin priorisieren und neue Plattform als Möglichkeit für zusätzlichen Austausch nutzen
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