Meta beendet die Zusammenarbeit mit unabhängigen Faktencheckern und ändert damit nicht nur den Umgang mit Falschinformationen, sondern auch den politischen Kurs. Wir erklären, welche Folgen das für Nutzer:innen und Unternehmen in Deutschland hat.

Inhaltsverzeichnis

Status Quo: Was ist konkret passiert?
Hat Zuckerberg Angst, von Trump gecancelt zu werden?
Eine Hand füttert die andere
Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?
„Don’t build your brand on rented land“
Goodbye Meta: Ist es schon Zeit, zu gehen?

Status Quo: Was ist konkret passiert?

Meta-Chef Mark Zuckerberg verkündete in einem Video die Abschaffung der neutralen Faktenprüfer:innen auf den zu seinem Konzern gehörenden Plattformen Facebook, Instagram und Threads. Bislang werden Faktenchecks eingesetzt, um Nachrichten und Beiträge auf deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Inhalte, die gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen, können so aufgespürt und entsprechend gekennzeichnet werden. Infolgedessen werden entsprechende Beiträge nur noch eingeschränkt ausgespielt oder in schwerwiegenden Fällen von Meta gelöscht. So soll die Verbreitung von Falschmeldungen und Hassreden verhindert werden. In Deutschland arbeitet Meta dafür bspw. mit der dpa, AFP und Correctiv zusammen.

Dieses Modell wird jetzt aber – vorerst nur in den USA – eingestellt. Zuckerberg führte als Grund dafür eine politische Voreingenommenheit der Faktenprüfer:innen auf. Durch den Faktencheck sei eine „Zensur” entstanden, die vor allem in den USA das Vertrauen der Nutzer:innen geschwächt habe. Sein Vorgehen gesteht Zuckerberg nun als Fehler ein, er spricht sich für die „freie Meinungsäußerung” aus und führt sogenannte Community Notes ein, die den Nutzern die Macht geben, einzuschätzen, welche Aussagen wahr oder falsch sind und diese, wenn nötig, zu kommentieren oder zu melden. Meta selbst greift nicht mehr in die Content-Moderation ein. Dadurch wird es unwahrscheinlicher, dass grenzüberschreitende Inhalte gelöscht werden – mit fatalen Folgen. Denn die Neuerung öffnet die Türen für Hass, Hetze und Falschinformationen.

Kommt Ihnen bekannt vor? Das Prinzip der Community Notes hat sich Zuckerberg von Elon Musk abgeschaut. Nach der Übernahme von Twitter entwickelte er diese Form der Content-Moderation, ebenso mit dem Vorwand der Redefreiheit. Die Folge: Mehrere Studien belegen die Zunahme von Diskrimierung, demagogischen Inhalten, Falschmeldungen und KI-generierter Deep Fakes auf X. Auch Zuckerberg gibt zu, es werde durch die Änderung „mehr schlechte Dinge” auf den Plattformen geben, doch die Wahrscheinlichkeit für „übertriebene Moderation” und „versehentliche Zensur” sinke.

Was steckt dahinter?

Wem das in die Karten spielt, ist offensichtlich. Noch im Wahlkampf beschimpfte der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump Facebook als „Feind des Volkes” und drohte Zuckerberg mit einer Gefängnisstrafe, sollte er herausfinden, dass Meta den Wahlkampf beeinflusse. Zuckerberg galt als Widersacher Trumps. Nach dem Sturm auf das Kapitol ließ er Trumps Social-Media-Accounts vorübergehend sperren. Nun aber scheint der Meta-Chef eine ideologische Kehrtwende zu vollziehen, trifft sich laut Medienberichten mit Trump zum Abendessen in seinem Privatanwesen, spendet eine Million Dollar für dessen Vereidigungszeremonie und versucht augenscheinlich, die angespannte Beziehung zu reparieren. Zusätzlich ernennt er den Republikaner Joel Kaplan zum Meta-Finanzchef und holt den Trump-Verbündeten Dana White in den Vorstand. Das amerikanische Content-Moderationsteam verlegt er von Kalifornien nach Texas – einem Bundesstaat, der seit Jahrzehnten in der Hand der Republikaner liegt. 

Außerdem soll Meta laut Medienberichten nun auch das interne Diversity, Equity & Inclusion (DEI)-Programm beenden. Das Programm für Chancengleichheit und Diversität sorgt dafür, dass Frauen, Menschen mit Behinderung und mit diversen ethnischen Herkünften im Unternehmen vertreten sind. Schulungen für Mitarbeitende zu Themen wie Gleichberechtigung und Inklusion sollen ausgesetzt werden. Konservative Politiker kritisieren solche und ähnliche Diversitätsprogramme schon seit langem. Der Grund: Dadurch sollen die Spannungen zwischen Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen eher verstärkt werden.

Hat Zuckerberg Angst, von Trump gecancelt zu werden?

Kritiker:innen fragen sich: Ist das alles politischer Opportunismus, oder steckt Zuckerberg wirklich mit Trump unter einer Decke und offenbart jetzt seine wahre politische Gesinnung? Fakt ist, als US-Präsident könnte Trump seine Macht nutzen, um dem Meta-Konzern erheblichen Schaden zuzufügen. Meta ist aktuell Marktführer, insbesondere Facebook ist immer noch das Soziale Netzwerk mit den meisten monatlich aktiven Nutzern. Rund 3,3 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt nutzen täglich mindestens eines der zugehörigen Social-Media-Netzwerke (Facebook, Instagram, Messenger, WhatsApp). Doch eine schlechte Beziehung zu Trump könnte die Position des Tech-Giganten gefährden. Aktuell läuft in den USA bereits ein Verfahren, das den chinesischen Instagram-Konkurrenten TikTok verbieten könnte. Die Vereinigten Staaten sind einer der wichtigsten Märkte für soziale Plattformen. Die Gunst der amerikanischen Regierung zu verlieren, könnte deshalb erhebliche finanzielle Schäden bedeuten. 

Eine Hand füttert die andere

Gleichzeitig gehört Zuckerberg zu den reichsten und mächtigsten Männern der Welt: Er weiß, wie man ein Unternehmen zum Erfolg führt und könnte mit der Annäherung vor allem eigene Interessen verfolgen. Die Content-Moderation bringt Meta rein wirtschaftlich gesehen keine Vorteile. Im Gegenteil: Soziale Medien leben von kontroversen Beiträgen, die Menschen aufwühlen, Diskussionen entfachen und Reaktionen erzeugen. Klar positionierte, meinungsgeladene Posts bringen dafür viel mehr Potenzial mit, als Inhalte, über die man sich nicht streiten kann. Politische Inhalte auf Instagram und Threads werden in den USA nun sogar wieder bevorzugt ausgespielt und sollen vermehrt in den Empfehlungen erscheinen. Diese Umstellung des Algorithmus wird bald weltweit ausgerollt. Nutzer:innen sollen die Menge der politischen Inhalte über die Einstellungen steuern können. Das könnte nur bedingt funktionieren, denn polarisierende Inhalte befeuern sich mit Hilfe des Algorithmus selbst. Beiträge mit vielen Likes und Kommentaren werden als relevant eingestuft und erhalten dadurch immer größere Sichtbarkeit.

Generell gilt: Engagement ist die entscheidende Währung auf Social Media. Je mehr sich Nutzer:innen aktiv mit Beiträgen auseinandersetzen, desto mehr Daten (und letztendlich Geld) bringen sie den Plattformen ein. Die Content-Moderation hemmt also nicht nur hitzige Debatten, sondern auch die Einnahmen des Betreibers. Und verursacht zusätzlich operative Kosten. Grund genug, sie aus Sicht Zuckerbergs möglichst schnell loszuwerden.

Zudem hatte Meta schon häufiger Kritik an den Faktenchecks geäußert. In seinem aktuellen Statement erklärt Zuckerberg, die demokratische Regierung der USA sowie die EU hätten Druck auf Meta ausgeübt, stärker gegen Falschinformationen vorzugehen. Der politische Wandel in den USA kommt für Zuckerberg also wie gerufen und ein Bündnis mit Trump – ob nur vorgetäuscht oder mit politischer Überzeugung – hilft ihm, sein Unternehmen voranzubringen.

Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Die Änderungen gelten erstmal nur in den USA, weitere Länder sollen laut Zuckerberg bald folgen. In der EU sollte die Umsetzung jedoch weniger leicht fallen. Hier gibt es strengere Gesetze, wie den Digital Services Act, der den Umgang mit Falschinformationen und Hassrede reguliert. Zuckerberg beschuldigt die EU deshalb der Zensur. Er wolle in Zukunft gemeinsam mit Trump gegen Regierungen vorgehen, die der Innovation durch amerikanische Unternehmen im Weg stehen. Die EU weist diese Vorwürfe zurück. Der Digital Services Act geht gegen Hass, Hetze und gesetzeswidrige Inhalte vor, die bspw. gefährlich für Kinder oder die Demokratien europäischer Länder sind und verpflichtet Online-Plattformen ebenso dazu. Sollte Meta diesen Anforderungen nicht nachgehen, drohen möglicherweise hohe Strafen.

„Don’t build your brand on rented land“

Trotzdem: Diese Diskussionen machen deutlich, wie schnelllebig die Social-Media-Welt ist und wie schnell Plattformen sich verändern können. Von einem Tag auf den anderen wird Twitter zu X und verliert nicht nur Millionen Nutzer:innen, sondern auch an Wert und Glaubwürdigkeit. In einem Moment ist TikTok DAS Medium, um junge Menschen zu erreichen, kurz darauf steht es vor der Verbannung in einem der wichtigsten Märkte, den USA. Während der Wandel auf X weniger einschneidend war, da die Marketingchancen für Unternehmen dort relativ gering sind, gefährdet die Entscheidung über TikTok in den USA bspw. die Existenzen von zahlreichen Influencer:innen, die sich dort eine Bekanntheit erarbeitet haben und ihr Geld damit verdienen. Sollte auch Meta gecancelt werden, ob in den USA oder der EU, stehen auch Unternehmen vor einem Problem. Viele sind abhängig von Plattformen wie Facebook oder Instagram, haben sich dort eine Reichweite aufgebaut und betreiben Marketing über Social-Media-Plattformen, die de facto anderen gehören. 

Wichtig ist deshalb, sich langfristig breit aufzustellen. Wir wissen nicht, wie sich soziale Netzwerke in Zukunft entwickeln. Nur auf Social Media Marketing zu setzen, wäre deshalb ein fataler Fehler. Es gilt, eigene Kanäle wie Newsletter, Intranet und Blogs zu stärken und so die Abhängigkeit von Facebook, Instagram, TikTok und Co. zu verringern. Oder wieder vermehrt auf Offline-Marketing mithilfe von Magazinen und Events zu setzen. Sich hier breit und kompetent aufzustellen, ist wie eine Investition. Man würde schließlich auch nicht sein ganzes Erspartes auf eine Aktie setzen. Das Risiko, alles zu verlieren, wäre viel zu hoch. Deshalb setzen wir im Marketing ebenso auf mehrere Mittel und Kanäle, um flexibel auf mögliche Veränderungen reagieren zu können und nicht von der Entwicklung einzelner Plattformen abhängig zu sein.

Goodbye Meta: Ist es schon Zeit, zu gehen?

Gleichzeitig wäre es keinesfalls der richtige Weg, künftig alle Meta-Plattformen zu meiden. Dafür sind sie als Kommunikations- und Werbekanäle im Moment noch viel zu wichtig. Facebook und Instagram verschaffen Unternehmen immer noch große Sichtbarkeit und erlauben es, durch Paid-Maßnahmen genau die richtigen Zielgruppen zu erreichen. Solange die Chancen, die diese Kanäle für das Marketing mit sich bringen, die Risiken (weit) übersteigen, lohnt es sich, dort weiterhin präsent zu sein. 

Wichtig ist jedoch, wachsam zu bleiben. Unternehmen und Nutzer:innen sollten sich darüber im Klaren sein, dass in Zukunft möglicherweise zunehmend mehr Fake News oder demagogische Inhalte im Netz kursieren werden. Die Lockerung der Moderationsrichtlinien und das Priorisieren von politischen Inhalten bedeutet, dass mehr Raum für bspw. rechtsextreme Gruppen entsteht, um gezielt Inhalte zu platzieren und manipulativen Narrativen mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Inhalte, die wir – noch mehr als bisher – selbst als glaub- oder unglaubwürdig einstufen müssen. 

Etwa 95 Millionen Fotos werden täglich auf Instagram hochgeladen. Der Anteil an rechtspolitischen Inhalten ist, verglichen mit der Masse an kreativen, unparteiischen Beiträgen, gering und aufgrund der Moderation momentan noch relativ unsichtbar. Sobald die Situation kippt und neutrale, harmlose Inhalte von kontroversen politischen Posts überschattet werden, müssen wir uns aber Gedanken machen, ob wir unsere Inhalte noch auf solchen Plattformen platzieren wollen. Denn wenn Beiträge von Unternehmen plötzlich vorrangig neben Hass, Hetze und Falschmeldungen stehen und unweigerlich damit in Verbindung gebracht werden, sind nachhaltige und möglicherweise irreparable Imageschäden vorprogrammiert.