Wie mächtig und allumfassend Sprache ist, dessen sind Menschen, die sich wie wir täglich mit Kommunikation beschäftigen, durchaus bewusst. Wie stark Sprache durch Framing jedoch auch unser Denken und Handeln prägt, das führte uns Jakob Biazza, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, beim Afterwork vor Augen. Über die Risiken und Chancen von Framing für unsere Kommunikation.

Was bedeutet Framing?

„Man kann nicht nicht kommunizieren“: Dieser Satz des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick ist für Menschen wie uns, die jeden Tag mit Sprache arbeiten, ein alter Hut. Dass Sprache viel mehr ist als nur verbale Kommunikation, wissen wir auch.

Weniger bewusst ist vielen von uns hingegen, dass Begriffe in unserem Gehirn auch immer bestimmte kognitive Deutungsrahmen, sogenannte „Frames“ aktivieren, die auf unserem kulturellen und persönlichen Erfahrungsschatz basieren und unser Denken, aber auch unser Handeln prägen. Denn wie die Sprachwissenschaftlerin und Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling in ihrem Buch „Politisches Framing“ schreibt: Lediglich zwei Prozent unseres Denkens passiert bewusst.

Framing prägt jedoch nicht nur unser Denken, sondern hat auch Auswirkungen auf unser Handeln. Das geht sogar so weit, dass Wörter bestimmte Regionen in unserem Gehirn aktivieren, die etwa für Geschmack oder Bewegung zuständig sind. Hören wir etwa das Wort „Zitrone“, ploppen in unserem Gehirn nicht nur bestimmte Bilder, Farben, Gerüche und Geschmäcker auf.

Es kann sogar sein, dass wir den sauren Geschmack regelrecht auf der Zunge spüren – weil unser Gehirn die entsprechenden Geschmacksnerven aktiviert. Welche erstaunlichen Auswirkungen Framing auf unser Handeln haben kann, zeigen Studien. Teilnehmer:innen einer solchen Studie, die einen Text mit Begriffen lasen, der sie an alte Menschen denken ließ (zum Beispiel „grau“, „vergesslich“, „faltig“), gingen anschließend langsamer zum Aufzug gehen als solche, die einen neutralen Text lasen.

Beispiele: Framing in der politischen Kommunikation und in den Medien

Nun ist es so, dass wir uns eine Zitrone sehr gut vorstellen können. Was passiert aber bei politischen Konzepten, die deutlich abstrakter und schwerer greifbar sind? Die wir nicht sehen, riechen oder schmecken können? Um diese greifbar zu machen, verpacken wir sie Metaphern. Diese liefern aber immer auch bestimmte Konnotationen mit. Wie stark metaphorische Frames unser Denken formen, veranschaulichte Jakob Biazza anhand verschiedener Beispiele. Er beleuchtete dafür Begriffe aus dem medialen und politischen Diskurs, die wir – wie wir teils erstaunt feststellten – größtenteils ungefragt hinnehmen und auch selbst verwenden.

Ein Beispiel: Unsere Steuern „zahlen“ wir – genau, wie wir für Dienstleistungen bezahlen. Indem wir das abstrakte Konstrukt der Steuer mit Metaphern verknüpfen und im Zusammenhang von „Steuerlast“, „Steuererleichterung“, „Steuerasyl“ oder „Steuerflüchtlingen“ sprechen, stellen wir die Steuer als etwas dar, was uns wie eine Last auf den Schultern liegt, was wir versuchen zu vermeiden, und wovor wir die Flucht ergreifen. Das Framing um den Begriff der Steuer geht sogar so weit, dass mitunter martialische Begrifflichkeiten Eingang in den Diskurs finden – so sprechen wir etwa davon, dass Steuern bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark „treffen“ oder der Staat zur „Jagd“ auf Steuerflüchtlinge bläst. Mit diesem Vokabular werden Steuern als etwas Negatives geframet – als etwas, das wir widerwillig und auf staatliche Anweisung hin leisten. Dadurch verpassen wir gleichzeitig die Chance, den Begriff Steuern positiv zu besetzen – als einen Beitrag, den wir für die Gemeinschaft leisten und von dem wir rückwirkend in Form von staatlichen Leistungen profitieren.

Positives Framing kann jedoch auch kontraproduktiv sein: „Klimawandel“ und „globale Erwärmung“ etwa werden der Dramatik der Situation alles andere als gerecht. Denn sowohl „Wandel“ – der das menschliche Verschulden obendrein ausblendet – als auch „Erwärmung“ beschönigen die Realität des drastischen Anstiegs weltweiter Temperaturen. Denn: Mit „Wärme“ verbinden wir positive Gefühle. Wir fühlen uns in einer warmen Wohnung wohl; und können uns für Personen oder Ideen „erwärmen“. Müsste man vor diesem Hintergrund also nicht viel eher von einer „Klimakrise“, „Klimakatastrophe“ und „Erdüberhitzung“ sprechen?

Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel ist der Begriff „Islamophobie“, mit dem wir gemeinhin Rassismus aufzeigen wollen – tatsächlich aber genau das Gegenteil bewirken: Wir verbinden den Islam dadurch mit etwas Bedrohlichem. So wie eine Spinnenphobie für die Panik steht, die Menschen vor haarigen Krabbeltieren haben, sprechen wir über den Islam als etwas, vor dem es sich lohnt, Angst zu haben. Zielführend wäre es, stattdessen von „Islamhass“ oder „Islamfeindlichkeit“ zu sprechen, erklärte Jakob Biazza.

Mit Framing richtig umgehen

In der Praxis ist die Entscheidung für oder gegen etablierte Begriffe – und damit für oder gegen eigene Begriffe, die zwar andere Frames setzen, jedoch weniger oder gar nicht gängig sind – ein Balanceakt, den es auszutarieren gilt. Denn es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir ab sofort nur noch in unserer eigenen Sprache sprechen, die niemand versteht, wie Jakob Biazza betonte. Vielmehr muss es darum gehen, zumindest problematische Frames und solche, die antidemokratisch oder gar manipulativ sind, aus unserem Sprachgebrauch zu streichen.

Wichtig ist auch, dass wir uns bewusst machen: Wer einen Frame negiert, aktiviert ihn. Man denke hier an das berühmte Beispiel des rosa Elefanten. In der Konsequenz gilt: Wer sich in einer Diskussion nur verteidigt und dabei nur die Begriffe der Gegenseite negiert, stärkt damit die Frames des Gegenübers. Denken Sie also in der nächsten Debatte zu einem Thema, das Ihnen wichtig ist, auch daran, Ihren Standpunkt – und damit Ihre eigenen Frames – zu setzen.

Framing im Marketing und in der Werbung

Was in der politischen Kommunikation gilt, gilt auch für die Bereiche, in denen wir uns mit In A Nutshell als Kommunikationsagentur bewegen. Auch Werbung, Marketing und Markenkommunikation arbeiten mit Metaphern und (Sprach-)Bildern und damit mit Frames. Nicht umsonst rufen Marken in unserem Kopf stets bestimmte Gefühle, Bilder und Charakteristika hervor: Warum sonst denken wir bei „Marlboro“ an den Cowboy? Und bei IKEA an sympathische Schwed:innen, die uns duzen und ein „Hygge“-Lebensgefühl? Weil Markenstrateg:innen durch die Verwendung gezielter Begriffe solche Assoziationen bewusst bei uns schüren – und sich diese Assoziationen durch Wiederholung in unserem Gehirn verankern. Dieser Lerneffekt wird übrigens als „Hebbsche Regel“ bezeichnet.

Als Kommunikator:innen können wir uns die Effekte von Framing durchaus zunutze machen, um Botschaften möglichst zielgerichtet zu vermitteln. Frames sind ein alltägliches sprachliches Werkzeug – und solange okay, wie sie die Grenze zu bewusster Manipulation und gezielter Desinformation oder Irreführung nicht überschreiten.

Dies bestätigt einmal mehr eine goldene Regel: Wir sollten in unserer Sprache stets so klar, verständlich und zielgruppengerecht wie möglich sein. Je nach Ziel und Zielgruppe können wir unserer Sprache darüber hinaus bestimmte Rahmen geben. Mit einem negativen Rahmen etwa betonen wir Probleme und Risiken, wenn beispielsweise eine Handlung nicht umgesetzt wird. Wenn wir eine Dienstleistung oder ein Produkt bewerben, ist es hingegen klüger, mithilfe eines positiven Rahmens Vorteile und Chancen hervorzuheben. 

Risiken und Chancen von Framing

Wie gehen wir mit dem Wissen um Framing im Alltag um? Und wie gelingt es uns, in unserer Kommunikation – sei es im privaten Gespräch, im beruflichen Kontext oder in politischen Diskussionen – noch zielführender mit Sprache umzugehen? Zwei Tipps:

  1. Der wichtigste Schritt, so Jakob Biazza, ist das Bewusstsein über die Tatsache, dass Framing existiert – und dass wir uns unsere politische Meinung nicht anhand von Fakten bilden, sondern basierend auf den gedanklichen Deutungsrahmen, die wir mit bestimmten Begriffen assoziieren.
  2. Dieses Wissen müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Zum Beispiel, wenn wir Zeitung lesen und dabei auf eine besonders provokante Schlagzeile stoßen, oder wenn wir Parteiprogramme lesen. Wer im beruflichen Alltag mit Kommunikation arbeitet, kann zudem mit dem Vieraugenprinzip das Risiko reduzieren, selbst in die Framing-Falle zu tappen – und etwa ein:e Kolleg:in bitten, einen Text noch einmal gezielt mit Blick auf dessen Metaebene gegenzulesen.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, wird jedoch merken, wie schnell sich das Bewusstsein für Framing auf die alltägliche Wahrnehmung von Sprache auswirkt. Es ist an jeder und jedem von uns, es auch in unsere Kommunikation mit unseren Kolleg:innen, Kund:innen und Mitmenschen zu integrieren. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Sprache ihre Ziele erreicht.



Über unseren Afterwork-Gast:
Jakob Biazza, Jahrgang 1981, ist Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. Er hat Politische Wissenschaften in München studiert, an der Deutschen Journalistenschule das Schreiben gelernt und währenddessen ein paar hundert Konzerte auf drei Kontinenten gespielt. Zusammen mit Johannes Hillje hat er vor ein paar Jahren den „Framing-Check“ für die Süddeutsche Zeitung entwickelt.