Die Furcht vor Shitstorms hängt über den sozialen Medien wie dunkle Gewitterwolken im Nachbarort. Die Netznutzer:innen beobachten sie mit Unbehagen und hoffen stets, dass sie bei ihnen selbst vorbeiziehen. Der (beruhigende) Unterschied: Im Gegensatz zum Gewitter können Sie einem Shitstorm vorbeugen.

Dafür sollte zunächst klar sein, was ein Shitstorm eigentlich ist: öffentliche Kritik im Internet an einem Unternehmen, einem Produkt oder einer Person. Bevorzugt findet die Empörung in sozialen Netzwerken, Blogs und Foren statt. Aber auch die Website des Shitstorm-Opfers ist ein beliebter Ort für Angriffe. Die Formen sind vielfältig: beleidigende Kommentare auf der Website, massenhafte Dislikes bei Facebook oder bösartig formulierte Twitter-Hashtags. Im schlimmsten Fall schwappt der Shitstorm von den sozialen Medien und Netzwerken in die Berichterstattung von Online- und Printmedien – und bedroht immer massiver das Ansehen (und oft auch die Umsätze) des Attackierten.

„Dell Hell“: Einer der bekanntesten Shitstorms der Welt

Der US-Journalist Jeff Jarvis brachte 2005 einen der ersten (und bis heute einen der bekanntesten) Shitstorms weltweit in Gang. In seinem Blog buzzmachine.com schrieb er über Probleme, die er mit seinem neuen Computer der Firma Dell hatte. Gleichzeitig beschwerte er sich über den mangelhaften Support des Herstellers. Den Beitrag betitelte er mit: „Dell lies. Dell sucks.“ Daraufhin überhäuften ihn Leser:innen mit Kommentaren, in denen sie ähnliche Erfahrungen mit Dell teilten. Überrascht über die hohe Feedback-Rate, schilderte Jarvis auch weiterhin die Entwicklungen seiner „Dell Hell“ in seinem Blog. Die Reaktion von Dell: Schweigen.

Schließlich wandte sich Jarvis über alle Instanzen hinweg direkt an den Chief Marketing Officer und Vizepräsidenten von Dell. Diese Mail veröffentlichte er ebenfalls in seinem Blog – und seine stetig wachsende Follower:innen-Gemeinde tat ihr Bestes, das zu verbreiten. Die Folge: Immer mehr Tech-Blogs, aber auch Zeitungen und Magazine berichteten darüber. Nun endlich meldete sich eine Kundendienstmitarbeiterin von Dell. Man bot Jarvis ein neues Gerät an, doch der lehnte ab und wollte lieber sein Geld zurück. Dell stimmte zu. Doch der Imageschaden für das Unternehmen war dadurch nicht mehr zu korrigieren.

Lernen Sie aus diesem prominenten Beispiel! Unsere Tipps helfen Ihnen, einem Shitstorm vorzubeugen – und zeigen zudem, wie Sie im Ernstfall handeln sollten.

So beugen Sie einem Shitstorm vor

1. Bleiben Sie auf dem Laufenden
Beobachten Sie nicht nur Ihre eigenen Social-Media-Kanäle. Werfen Sie auch regelmäßig einen Blick in Facebook-Gruppen, Blogs, Foren und Bewertungsportale, die Ihr Unternehmen, Ihr Produkt oder Sie als Person thematisieren. Wie im Fall von Dell entsteht ein Shitstorm häufig aus einem Kommentar, einem Blogbeitrag oder einer Online-Bewertung. Verfolgen Sie zudem die aktuelle Berichterstattung in den Medien zu Ihren relevanten Themen, um von keiner Kritik überrascht zu werden. Holen Sie sich dafür gerne Unterstützung von entsprechenden Social-Media- und Online-Monitoring-Tools, wie beispielsweise Talkwalker oder Hootsuite.

2. Greifen Sie rechtzeitig ein
Indem Sie die unterschiedlichen Kanäle im Blick behalten, sehen Sie, welche Themen die Nutzer:innen aktuell beschäftigen und was davon möglicherweise eskalieren könnten. Nicht jede Kritik führt automatisch zu einem Shitstorm. Lernen Sie daher zu unterscheiden: Handelt es sich um nachvollziehbaren Unmut (z.B. über ein fehlerhaftes Produkt) oder kommt es zu tiefergehenden Beleidigungen und Provokationen? Je schneller (und angemessener) Sie auf die Posts reagieren, desto wahrscheinlicher können Sie den:die Nutzer:in besänftigen und einen Shitstorm abwenden.

3. Reagieren Sie mit Bedacht
Bleiben Sie in jedem Fall ruhig und reagieren Sie deeskalierend. Nehmen Sie den:die Klagende:n ernst, zeigen Sie ihm:ihr Verständnis für seine:ihre Situation und bieten Sie ihm:ihr eine Lösung für sein:ihr Problem an. Wechseln Sie gegebenenfalls in einen direkten Nachrichtenaustausch, zum Beispiel bei Facebook in die Messengerfunktion, um sein:ihr Problem außerhalb der Öffentlichkeit detailliert zu besprechen und so die Angriffsfläche zu reduzieren.

Was Sie bei einem beginnenden Shitstorm beachten sollten

4. Erstellen Sie einen Notfallplan
Wer macht was wie und wann? Schulen Sie Ihre Mitarbeiter:innen im richtigen Umgang mit einem Shitstorm. Sie brauchen Feingefühl, um brenzlige Situationen zu erkennen und einzuschätzen. Erstellen Sie dafür ein Manual, in dem Sie festhalten,

  • welche Eskalationsstufen möglich sind,
  • wie das weitere Vorgehen bei den einzelnen Stufen innerhalb und außerhalb des Unternehmens sein soll,
  • welche Mitarbeiter:innen bei einem Shitstorm involviert werden müssen,
  • wie die Verantwortlichkeiten verteilt sind (aktuelle Kontaktdaten usw.),
  • und wie eine erste Reaktion aussieht.

5. Ignorieren Sie Ihre Follower:innen nicht!
Egal, wie simpel die Beschwerde oder das Problem des:der Kund:in scheinen mag, ignorieren Sie sein:ihr Anliegen keinesfalls. Wie das Dell-Beispiel zeigt, wird die Wut auf das Unternehmen nur größer, wenn keine Reaktion kommt – und führt dann zu noch weiterer Verbreitung der Empörung.

6. Geben Sie Fehler zu
Niemand ist perfekt. Stehen Sie daher zu Ihren Fehlern und schaffen Sie größtmögliche Transparenz. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie bei jeder Kritik klein beigeben sollten. Untermauern Sie Ihre Position mit Fakten und treten Sie in einen Dialog mit Ihren Follower:innen. Dennoch sollte eine Diskussion nicht zu sehr ausufern. Wenn Sie merken, dass sich die Argumente wiederholen und der:die Nutzer:in keinen vernünftigen Dialog (mehr) führen will, beenden Sie die Diskussion freundlich, aber bestimmt. Hilfreich sind dafür Linkziele auf Ihrer Webseite, die dem Nutzer weitere Informationen zu seinem Anliegen bieten.

7. Nur im Ernstfall Kommentare löschen und User:innen sperren
Negative Kommentare sind unangenehm; trotzdem sollten Sie diese nicht einfach löschen oder den:die Absender:in umgehend sperren. Denn dann fühlt der:die Nutzer:in sich rasch ignoriert. Das fördert seinen:ihren Unmut über das Unternehmen oder das Produkt („Dell Hell“ lässt grüßen). Reagieren Sie stattdessen auf das Anliegen des:der Nutzer:in. Wenn sich diese:r allerdings im Ton vergreift, sollten Sie ihn:sie darauf aufmerksam machen und um die Einhaltung der Gemeinschaftsstandards bitten, beispielsweise die von Facebook. Kommt er:sie ihrer (wiederholten) Bitte nicht nach und beleidigt weiter, warnen Sie ihn:sie ein letztes Mal und machen Sie ihn:sie auf eine mögliche Sperrung aufmerksam. Sollte er:sie selbst dann nicht aufhören, sperren Sie das Profil tatsächlich und löschen gegebenenfalls die entsprechenden Kommentare.

Nicht jeder Shitstorm bedeutet negative PR

Ein Shitstorm ist übrigens nicht immer schlecht fürs Image. Ein prominentes Beispiel dafür ist ein Werbespot der ING-DiBa von 2012. Darin ist der Basketballprofi Dirk Nowitzki zu sehen. In einer Metzgerei fragt ihn die Fleischfachverkäuferin im bayerischen Dialekt: „Was hamma früher immer g’sagt?“ – und dieser antwortet grinsend: „Damit du groß und stark wirst!“. Daraufhin erhält er ein Stück Wurst zum Naschen. Am Ende des Spots wird der Slogan eingeblendet: „Wenn du einfach mehr bekommst, dann ist es DiBaDu“. Das erzürnte Veganer:innen und Vegetarier:innen. Sie warfen der Bank unter anderem vor, das Leid der Massentierhaltung und die gesundheitlichen Folgen des Fleischkonsums zu ignorieren.

Doch anstatt einen negativen Shitstorm zu entfachen, stellte sich die Mehrheit der Social-Media-Nutzer:innen gegen die Initiator:innen der Beschwerde. Dadurch erhielt die Bank Rückendeckung von ihren eigenen Fans. Innerhalb von 16 Tagen verzeichnete die Facebookseite der Bank zudem einen starken Fanzuwachs. Die Follower:innen zahl stieg von 2.400 auf 3.800 – und nahm auch nach Beendigung des positiven Shitstorms (auch Candystorm genannt) nicht wieder ab. Ein sonst eher unübliches Verhalten, da kann man nur sagen: Glück gehabt, ING-DiBa …

Welchen Lauf ein Shitstorm nimmt, lässt sich allerdings kaum vorhersagen. Legen Sie es also lieber nicht darauf an!