Der Kampf um gute Mitarbeiter:innen ist härter denn je. Unternehmen setzen daher verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI), um den Bewerbungsprozess zu optimieren. Wir verraten, wie das funktionieren kann.
Seit dem Public Launch von ChatGPT hat kein anderes Thema die öffentliche Debatte so dominiert wie Künstliche Intelligenz. Ihre Faszination entsteht irgendwo in der Grauzone zwischen technischer Utopie, die plötzlich nutzbar ist, und all den offenen Fragen, die selbst Expert:innen nicht beantworten können.
Die Vorteile von KI liegen auf der Hand: KI-Systeme können Aufgaben effizienter und schneller erledigen als Menschen, sie können großen Mengen an Daten verarbeiten, ohne Flüchtigkeitsfehler zu machen, sie brauchen weder Mittagspause noch Wochenende, und sie können – richtig eingestellt – Entscheidungen treffen, die objektiver und frei von Unconscious Biases sind.
Zukunftsfähiges Recruiting wird den „War of Talents“ entscheidend beeinflussen
Unsere Arbeitswelt profitiert bereits jetzt vom Potenzial der lernenden Algorithmen: Im Recruiting oder, wie man im Prä-Digitalen Zeitalter sagte, in der Personalbeschaffung.
Bis zum Jahr 2035 werden dem deutschen Arbeitsmarkt allein durch den Wegfall der geburtenstarken Jahrgänge mehr als sieben Millionen Erwerbstätige fehlen, so eine Studie der Arbeitsmarktforscher vom IAB.
GenAI kann die Talent Acquisition optimieren
Egal, ob Großkonzern, Mittelstand, Agentur oder Start-up: Recruiting – das Finden und Einstellen von Talenten – steht ganz oben auf der Agenda. Dazu brauchen Unternehmen neben zukunftsfähigen Konzepten vor allem die richtigen Tools. Und hier kommt Generative KI (GenAI) ins Spiel.
Die GenAI, auf die wir uns in diesem Beitrag konzentrieren, umfasst Technologien, die Texte, Bilder, Musik und vieles mehr auf menschenähnliche Weise kreieren, die Daten auswerten und strukturieren und die sich, als Chatbots, mit uns unterhalten.
Die gängigsten Einsatzbereiche für Gen AI im Recruiting sind:
- Employer Branding
- Sourcing
- Recruiting
- Onboarding
Noch in 2023 soll der Anteil der Unternehmen in Deutschland, die KI im Recruiting nutzen, auf 77 Prozent steigen. Das wäre ein enormer Sprung, denn aktuell liegt er „erst“ bei 28 Prozent, so eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. Dazu gehören auch wir bei In A Nutshell:
Bei der richtigen Anwendung von KI stehen die meisten noch ganz am Anfang
„Wir setzen in verschiedenen Bereichen unserer täglichen Arbeit GenAI ein – das Recruiting war einer der ersten”, sagt Jonna Gaertner, die in der Geschäftsführung unter anderem den Bereich Personal verantwortet. „Zudem betreuen wir diverse Kunden, die mit uns im HR-Sektor KI-fit werden wollen. Fast alle haben verstanden, wie groß die Hebel durch die Nutzung von GenAI sind – bei der Umsetzung stecken sie jedoch meist noch in den Kinderschuhen.”
In welchen unterschiedlichen Phasen GenAI den Talent-Acquisition-Prozess erleichtern kann – vom Employer Branding über das Sourcing bis zum Recruiting selbst, das lesen Sie in diesem Blog. Dazu beschreiben wir, welche Tools sich jeweils anbieten und welche Hürden es gibt. Übrigens: Die Bilder in diesem Artikel wurden von einer KI generiert 😉
Inhaltsverzeichnis
1. Employer Branding – die eigene Marke als Arbeitgeber optimieren
- Content-Strategie entwickeln
- SEO-Analyse durchführen
- Content Writing und Korrekturlesen
- Hochwertige Visuals erzeugen
- Videos und Podcasts produzieren
2. Sourcing – passende Fachkräfte mithilfe von KI finden
- Freie Stelle identifizieren und definieren
- Active Sourcing
- Passende Kandidat:innen identifizieren
- Grenzen der KI
- Vorurteile ausklammern
- Social Media-Job-Anzeigen und Ads für Stellenbörsen erstellen
3. Recruiting – Kandidat:innen überzeugen und gewinnen
- Bewerber-Kommunikation automatisieren
- Interviews vorbereiten
- Bewerbungen und Lebensläufe analysieren
- 5 Felder, wo KI als Assistenztool bald zum Standard wird
5. Ein Blick in die Zukunft – KI zwischen HR-Utopie und Dystopie
1. Employer Branding – die eigene Marke als Arbeitgeber optimieren
Zeiten, in denen Unternehmen einfach eine Anzeige schalten und sich dann aus der Flut an Bewerber:innen die Rosinen herauspicken konnten, sind vorbei. Der Arbeitsmarkt hat sich in vielen Branchen vom Angebots- zum Nachfragemarkt gewandelt, auf dem sich Firmen bei Talenten bewerben und nicht umgekehrt. Employer Branding, also der strategische Aufbau einer starken und attraktiven Arbeitgebermarke, wird deshalb immer wichtiger – für Großkonzerne wie für mittelständische Unternehmen. GenAI, wie ChatGPT, kann in mehreren Bereichen dabei helfen:
Content-Strategie entwickeln
Dazu gehört die Definition der Zielgruppe, der Kernthemen und der Kanäle, die innerhalb des HR-Marketing-Funnels hilfreich sind. Tools wie ChatGPT oder Google Bard dienen hier vor allem als Brainstorming-Partner. Angenommen, eine Firma möchte sich als besonders auf Diversity bedachte Marke positionieren. Dann kann sie ChatGPT nutzen, um passende thematische CSR-Aspekte zu finden, die sie eventuell noch nicht im Blick hat. Die Tools können zudem Impulse für die Strategieentwicklung geben und mit dem richtigen Prompting sogar konkrete Maßnahmen vorschlagen. Auch bei der Beschreibung spezifischer Ziele für etablierte HR-Marketing-Kanäle wie LinkedIn oder noch sehr junge Kanäle wie TikTok kann KI helfen.
Tools wie Perplexity oder Bard greifen – anders als ChatGPT – aufs Internet zu, können also auch aktuelle Studien beisteuern. Bei allen datengetriebenen Analysen gilt jedoch die wichtige Einschränkung, dass KI-Textgeneratoren bei der Recherche von Fakten noch fehleranfällig sind, weil sie Wahrscheinlichkeiten berechnen und dabei immer wieder halluzinieren.
SEO-Analyse durchführen
Um von Kandidat:innen gefunden zu werden, ist es für immer mehr Firmen zwingend notwendig, die eigene Karrierewebsites für Suchmaschinen zu optimieren. KI-Tools können hier bei der Analyse von Keywords helfen, die potenzielle Bewerber:innen verwenden, sie können die Website-Struktur verbessern – bspw. durch Google-freundliche Headlines und sie können SEO-relevante Themen finden, die der eigenen Seite eventuell noch fehlen. ChatGPT bietet in der Bezahlversion über Plugins gute SEO-Hilfe. Wir als Agentur nutzen zum Beispiel die Plugins „SEO Core AI“ und „SEO Assistant“.
Content Writing und Korrekturlesen
Um als potenzieller Arbeitgeber herauszuragen, braucht es gute Geschichten. KI-Tools sind in der Lage, ansprechende und informative Inhalte für Karrierewebsite und Social Media erstellen. Dazu gehören Texte, Videos, Bilder und Podcasts. Wir arbeiten hier weiterhin am liebsten mit ChatGPT, weil das Large Language Model gerade in der Bezahlversion die größte sprachliche Finesse hat.
HR-Texte müssen zudem oft Standardformeln oder -bausteine haben. Beim Prompting richtig gebrieft, stellen die Tools auch sicher, dass dies der Fall ist oder dienen zur Qualitätssicherung bei bestehenden Texten. Hier hilft uns die Integration von ChatGPT in Excel bzw. Google Sheets, um dutzende URLs gleichzeitig zu prüfen.
Hochwertige Visuals erzeugen
Wir nutzen KI als Agentur im Grafikbereich in zweierlei Hinsicht. Um konzeptionelle visuelle Ideen zu entwickeln oder zu verfeinern und um Mood-Bilder zu erstellen. Midjourney und Firefly waren dabei lange die Tools der Wahl, seit Spätsommer 2023 entwickelt sich daneben Ideogram zur echten Alternative, weil es Texte orthografisch korrekt wiedergeben kann und nicht nur – wie die meisten anderen Bild-KIs – Buchstabensalat produziert. Adobe Photoshop wird auch oft genannt, ist allerdings aktuell (September 2023) noch nicht zur kommerziellen Nutzung zugelassen.
Videos und Podcasts produzieren
So weit KI bei der Textarbeit ist, so weit ist der Weg noch bei Videos und Podcasts: Das eine Tool, dass alle Prozessschritte beherrscht, haben wir zumindest noch nicht gefunden. Skripte für Videos, sei es für die Karrierewebsite und die eigenen Social-Media-Kanäle, schreibt am besten ChatGPT. Um Audiospuren zu generieren, etwa für Off-Sprecher:innen, nutzen wir vor allem Murf, für die Unterstützung beim Videoschnitt Descript und Runway.
2. Sourcing – passende Fachkräfte mithilfe von KI finden
Freie Stelle identifizieren und definieren
Vor der Suche steht die Definition, welche Stellen überhaupt zu besetzen sind. Gerade Konzerne arbeiten hier mit standardisierten „Job Requirements“, die in der Regel die Fachabteilungen alleine oder mit den HR Businesspartnern erstellen. KI kann Recruiter in dieser Phase vor allem per Textanalyse in der Qualitätssicherung unterstützen. Enthält die Jobbeschreibung alle notwendigen Kriterien, die es zur Definition einer Stelle(nanzeige) braucht? Doppelt sie sich eventuell mit der gerade aktuellen Beschreibung aus einer anderen Abteilung?
Eine gute Jobbeschreibung braucht es vor allem, um die Sourcing Pools gezielt zu durchsuchen. Denn einfach eine Annonce bei Monster und Stepstone zu schalten, war vorgestern. „Gute Kandidat:innen müssen – zumindest in unserer Branche – nicht mehr selbst suchen“, sagt In A Nutshell-Geschäftsführerin Gaertner. „Recruiter müssen sie finden.“ Dies geht entweder per Active Sourcing oder über gezielte Kampagnen – und in beiden Fällen heute mit KI-Unterstützung.
Active Sourcing
LinkedIn und weiterhin auch XING sind die Kanäle, auf denen Arbeitgeber Talente per Direktnachricht gezielt ansprechen sollten. Was viele nicht wissen – sie arbeiten selbst bereits mit eigenen KI-Tools. Das LinkedIn Recruiter Tool wurde schon vor der ChatGPT-Ära gelauncht und verfügt etwa über ein sehr leistungsstarkes, lernfähiges Engine.
Passende Kandidat:innen identifizieren
Die neuen GenAI-Tools helfen unter anderem auch dabei, passende Kandidat:innen zu identifizieren. ChatGPT beispielsweise analysiert verfügbare Informationen über potenzielle Kandidat:innen und identifiziert geeignete Profile, die den Anforderungen einer bestimmten Position entsprechen könnten. Auch die wahrscheinliche Passung zur Unternehmenskultur können die Tools anhand von Soft Skills oder persönlichen Informationen im Lebenslauf bewerten.
Wir arbeiten hier in der Bezahlversion mit der Zusatzfunktion „Code Interpreter“, indem wir interessante Profile in tabellarischer Form exportieren und die Tabellen dann von der KI auf Stichworte durchsuchen lassen. Gleiches lässt sich auf interne Talentpools übertragen. Allerdings sind dieser Form der personalisierten Datenanalyse aus DSGVO-Gründen enge Grenzen gesetzt.
Grenzen der KI
Den Vorteil, mit KI schneller potenzielle Talente zu finden, sieht Gaertner allerdings nicht uneingeschränkt positiv. „Denn was verloren geht, das sind die Kandidat:innen, die gute Recruter:innen rein durch Bauchgefühl finden – wenn eigentlich kein Kriterium passt, aber das Gesamtpaket stimmig ist“, beschreibt es Gaertner. „Oft sind das Quereinsteiger, und die liefert mir, bisher zumindest, noch keine KI.“ Zudem findet man immer wieder Kandidat:innen, deren Profil gar nicht zu passen scheint, die dann aber so spannend klingen, dass man am liebsten direkt eine Stelle für sie schaffen möchte. „Wir hatten den Fall schon, und es war für beide Seiten ein großer Glücksfall“, so Gaertner. „Solche Menschen fallen bei ChatGPT durch jedes statistische Raster.”
Vorurteile ausklammern
Wo KI uns Menschen allerdings überlegen ist, das ist der Umgang mit Unconscious Biases: Indem die KI klassische Vorurteilsquellen wie Namen, Alter, Lebenslaufdesign oder Foto ausblendet, hilft sie, Kandidat:innen zu identifizieren, die sonst unbewusst benachteiligt würden. „Allerdings gibt es auch den Algorithm Bias”, sagt Gaertner: Jede KI entscheidet nur so neutral, wie die Programmierer:innen sie eingestellt haben.
Social Media-Job-Anzeigen und Ads für Stellenbörsen erstellen
Die zweite Säule im Sourcing sind Social-Media-Kampagnen – je nach Zielgruppe und Budget auf LinkedIn, Instagram oder TikTok. Wir sind als Agentur zudem mit HR-Kampagnen bei Spotify und Reddit unterwegs. Wie schon im Employer Branding kann GenAI hier Posting-Texte, Bilder oder Videos erstellen.
Gerade wenn es um feine Abstufungen der Contents für A-B-Tests geht, erweisen sich die Tools als gute Hilfe: Wir haben als Agentur für einen Kunden beispielsweise 26 Stellenanzeigen in 3 Sprachen einen neuen Tone of Voice bringen sollen, um eine HR-Kampagne damit auszustatten. Hätte es ChatGPT damals schon gegeben, hätte es die Arbeitszeit unserer Erfahrung nach um etwa 80 Prozent reduziert. Hilfreich ist KI auch, um relevante Informationen aus vorhandenen Stellenbeschreibungen zu extrahieren und diese in einer sprachlich überzeugenden Art zusammenzustellen.
Neben ChatGPT erleben wir auch Neuroflash und Deepl Write als sehr hilfreich. Durchgefallen ist bei uns das zuletzt oft als Deepl-Konkurrent gelobte languagetool – da es beim Umformulieren einzelner Sätze leider oft den Kontext missversteht.
3. Recruiting – Kandidat:innen überzeugen und gewinnen
In der Recruiting-Phase hat KI – so unser Eindruck – noch sehr große Potenziale.
Bewerber-Kommunikation automatisieren
Hier hat KI langfristig sicherlich den deutlich größeren Hebel. Als interaktiver Voice- oder Chatbot eingesetzt, können die Tools den kompletten Erstkontakt übernehmen. Auch Standards, wie Zu-, Absagen, Erinnerungen, regelmäßige Status-Updates oder Terminorganisation können automatisiert werden, um die besten Bewerber:innen für sich zu gewinnen. Hier kann KI helfen, personalisierte Standardnachrichten im gesamten Funnel zu generieren. Hier bietet sich zum Beispiel eine ChatGPT-Integration in Google Sheets an. Bard/Excel werden bald ähnlich interagieren können. „Die Zeitersparnis ist so hoch – dieser Prozess wird automatisiert”, sagt Gaertner, warnt allerdings vor der Gratwanderung. „Wichtig wird hier sein, dass Unternehmen trotz Standards-Software eine individuelle Ansprache bewahren.“
In Standardprozessen werden Bewerber:innen Bots akzeptieren, etwa, wenn er ihre Fragen beantwortet. Im Sinne eines maßgeschneiderten 24/7-Supports werden sie Bots sogar erwarten – etwa um sich, in der Sprache ihrer Wahl, durch Online-Bewerbungsprozesse leiten zu lassen. „Komplett ersetzen wird KI den persönlichen Kontakt – zumindest bei uns – aber sicherlich nicht“, sagt Gaertner. „Denn wir hören nach fast jeder erfolgreichen Besetzung, wie wichtig den Menschen das erste ,echte Gespräch’ war.”
Interviews vorbereiten
Auch den für viele Recruiter:innen zeitaufwändigsten und schwierigsten Part im Recruiting, das Führen der Job-Interviews, wird uns die KI wohl vorerst nicht abnehmen: „Ich bin absolut sicher: Das werden auch in 20 Jahren noch echte Menschen machen”, sagt Personalchefin Jonna Gaertner. „Genauso sicher bin ich allerdings, dass KI auf dem Weg dahin sehr viel Arbeit abnehmen wird.“
Bewerbungen und Lebensläufe analysieren
Es fängt damit an, dass Text-KI eingehende Bewerbungen und Lebensläufe analysiert und nach vordefinierten Kriterien filtert, was eine effiziente Vorauswahl aus einer großen Bewerberzahl ermöglicht. Analog dazu werden die meisten Prozesse in dieser Phase vermutlich in den nächsten fünf Jahren automatisiert – bei manchen innovativen Firmen sind sie es ja sogar schon heute.
Kandidat:innen werden dabei nach Qualifikationen, Erfahrungen und anderen relevanten Faktoren bewertet, sodass HR-Manager:innen mehr Zeit für, statistisch gesehen, besser geeignete Kandidat:innen haben. „Ja, es wird damit schwieriger für Quereinsteiger:innen unter den Bewerber:innen”, sagt Gaertner, „und das wird ein Verlust gerade in kreativen Berufen. Aber Unternehmen, die konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen diesen Weg gehen.“ Das gilt auch mit Blick auf die Bewerbungsgespräche. „Wir nutzen GenAI KI bereits heute, nicht nur um Zeit zu sparen, sondern auch um Vorurteile und subjektive Eindrücke effizient aus dem Prozess zu nehmen.”
Gaertner sieht fünf Felder, wo KI hier als Assistenztool bald zum Standard wird:
- Interview-Fragen erstellen: KI kann individuell zugeschnittene Fragen auf Basis von Profil, Bewerbungsdokumenten und öffentlichen Daten generieren.
- Gespräche auswerten: Die Tools werten Antworten mit Fokus auf Qualifikationen und Skills aus und beschleunigen so den Screening-Prozess. Algorithmen machen das schon heute – schon heute werden sie durch KIs ersetzt oder ergänzt.
- Quantitative Eignungstests durchführen und analysieren.
- Objektiver bewerten: Wie bereits erwähnt, kann KI helfen, Bias-Tendenzen zu reduzieren. Das Ziel ist es, Entscheidungen auf objektiven Daten und nicht auf persönlichen Vorurteilen der Recruiter:innen basieren zu lassen.
- Informationen validieren: KI kann die Angaben der Bewerber:innen prüfen, um die Richtigkeit und Vollständigkeit sicherzustellen, wodurch Betrug und Fehlinformationen reduziert werden können.
4. Onboarding
Auch hier bieten sich Chancen, Prozesse mit KI ohne Qualitätsverlust kostengünstiger und schneller zu machen. Die Phase des Pre-Boarding nach der Unterschrift bis zum ersten Tag im Unternehmen behandeln wir im nächsten Teil des Artikels.
5. Ein Blick in die Zukunft – KI zwischen HR-Utopie und Dystopie
Gehaltsstrukturen demokratisieren
Perspektivisch sind weitere Einsatzfelder zu erwarten – etwa in der Datenanalyse. Spannend wird der Einsatz dort, wo menschliche Expert:innen aufgrund von Unconscious Biases sich schwer tun, ganz objektiv zu sein, vermutet Gaertner: „Beispielsweise kann ich mir gut vorstellen, dass KI künftig Gehaltsstrukturen demokratisieren: Die Systeme analysieren Daten aus Gehaltsstudien, Stellenanzeigen und internen Datenbanken, um einen Überblick über aktuelle Markttrends zu erhalten. Sie können – soweit die DSGVO es erlaubt – auch persönliche Faktoren berücksichtigen, die das Gehalt beeinflussen, etwa Qualifikationen und Erfahrung, Branche, Region und Budgetverantwortung.“
Auf der Basis schlagen sie dann ein Gehalt vor, mit dem Recruiter:innen in die Verhandlung gehen können. Für sie sei das ein perfektes Beispiel, wie KI als Assistenztool fungiere, sagt Gaertner: „Die Zahl kann mir ChatGPT liefern, das Gehaltsgespräch aber wird das Tool nicht führen. Denn da braucht es genau das, was KI nicht hat: Empathie, Spontaneität und die Fähigkeit, ganz unterschiedliche Signale zu deuten.”
Arbeitszeitpläne optimieren
Ähnliche Potenziale sehen wir auch, wenn es um Arbeitszeitmodelle geht: Besonders die Gen Z legt Wert auf flexible Zeiteinteilung, Mobile Work und die viel zitierte Work-Life-Balance. KI kann optimale Arbeitszeitpläne für das Team erstellen, wobei sie Qualifikationen und Kenntnisse der Mitarbeitenden genauso wie persönliche Einschränkungen berücksichtigt. Indem die Systeme zudem Arbeitszeitpräferenzen in Betracht ziehen und – richtig eingestellt – bei der Schichtplanung immer gerecht vorgehen, können sie sogar die Zufriedenheit und Motivation der Belegschaft erhöhen.
Eher kritischer ist ein Case, der aktuell in vielen HR-Blogs diskutiert wird: inwiefern die Tools künftig auch Verhalten und Leistung von Bewerber:innen oder aktuellen Mitarbeitenden vorhersagen, indem sie durch vergangene Performance und Verhaltensmuster analysieren.
Während das schon nah dran ist an Orwells „1984“, klingt der zweite künftige Use Case ethisch unkritischer: „Ein Kunde von uns hat ein Pilotprojekt gestartet, Kandidat:innen zu besser geeigneten Positionen zu leiten: Sollten Bewerber:innen für eine spezifische Position nicht infrage kommen, kann KI ihnen alternative, passendere Stellen vorschlagen“, erzählt Gaertner und sieht Potenziale vor allem für interne Stellenbörsen. „Gerade, wenn es darum geht, gute Mitarbeiter:innen zu halten, die sich im Unternehmen weiterentwickeln wollen, kann die Funktion sehr wertvoll sein.“
Das Einstellen bleibt in Menschenhand
Bleibt die Frage, wer am Schluss die künftigen Mitarbeiter:innen auswählt und einstellt. „Die endgültige Entscheidung wird immer bei uns Menschen liegen, weil wir auch die finale Verantwortung haben“, ist Gaertner überzeugt. KI aber wird Recruiter:innen die Entscheidungsfindung erleichtern: Eine Analyse aller erlangten Informationen aus Bewerbungsgesprächen, Videos, Tests, Lebensläufen kann helfen, auch in schwierigen und knappen „Rennen” die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Und was, wenn KI und Recruiter auch nach Abwägung aller scheinbarer Fakten unterschiedlicher Meinung sind? „Dann entscheide ich immer nach Bauchgefühl. Denn das ist etwas, was keine KI hat – und auch nie haben wird.“
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