Zwei Tage, 70.000 Gäste, zehn Messehallen – das OMR-Festival in Hamburg ist eine Veranstaltung der Superlative. Ganze Straßen wurden gesperrt und auf Europas größter Messebühne tummelte sich das Who-is-who der Branche. Wir geben einen umfassenden Überblick.

Das omnipräsente Thema der OMR war …

Dazu haben wir bereits einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben.

Jetzt geht’s weiter mit Teil 2: Was beschäftigt die Branche neben KI? Welche Buzzwords hallten über das Messegelände? Wir geben euch einen umfassenden Überblick.

Vorab ein kleines Rätsel: An welche Person müsst ihr denken, wenn ihr Himbeersahnetorte, erstklassiges Social-Media-Wissen und erfolgreiche Unternehmensführung lest? (nicht spicken!)

Es ist natürlich Ann-Katrin Schmitz. Die Marketingexpertin und Mitgründerin von NovaLanaLove – auf Instagram als Himbeersahnetorte bekannt – eröffnete den zweiten Tag der OMR mit dem Thema „State of Influencer Marketing 2023“. 

Was bleibt? Was geht? Was kommt?  

Für Ann-Kathrin Schmitz steht fest: Die „TikTokisierung” der Social-Media-Landschaft ist in vollem Gange. An Videoinhalten führt kein Weg mehr vorbei. Gleichzeitig rücken Creator:innen zunehmend in den Hintergrund. Denn eine hohe Anzahl an Follower:innen ist längst nicht mehr das entscheidende Kriterium für Reichweite. Vielmehr die Qualität der Inhalte, die damit verbundenen positiven Interaktionen (Likes, Kommentare, Shares, etc.) und die Verweildauer der User:innen auf dem Content.

Aber wie können Marken davon profitieren? Aus Ann-Katrin Schmitz’ Vortrag haben wir einige Punkte abgeleitet, die uns in Zukunft weiter begleiten werden: 

  1. User Generated Content (UGC)
    Medieninhalte, die Nutzer:innen freiwillig erstellen. UGC-Creator:innen fungieren somit als kleine Markenbotschafter und machen die Produkte der Unternehmen auf kreative Weise in ihrem Netzwerk bekannt. Es ist die authentischste Werbung, da es die persönliche Empfehlung einer Privatperson darstellt.
  2. Ambassadors
    Interne Personen aus dem eigenen Unternehmen, die die Kommunikation der Firma unterstützen. Der Vorteil von Ambassadors liegt darin, dass sie direkt im Betrieb tätig sind und dadurch ein tieferes Verständnis für die Marke, die Unternehmenskultur und die Zielgruppe haben. Dadurch können sie maßgeschneiderten Content entwickeln, der optimal auf die Unternehmensziele und -werte abgestimmt ist. Insgesamt ermöglichen Inhouse Content Creator:innen eine engere Verzahnung von veröffentlichten Inhalten und der Strategie im Betrieb, was zu einer effektiven und zielgerichteten Kommunikation mit der Zielgruppe führt und Nahbarkeit zwischen Unternehmen und potenziellen Kund:innen fördert.
  3. De-Influencing
    Aktives Abraten vom Produktkauf. Deinfluencer:innen erklären euch, welcher Kauf sich lohnt und von welchen Brands ihr besser die Finger lasst. Dadurch entsteht Ehrlichkeit im Marketing auf Social Media. Es geht dabei um authentische Erfahrungsberichte der Nutzer:innen.
  4. Nischenkommunikation
    Oben haben wir bereits angedeutet, dass die eigene Sichtbarkeit vom Profil leidet, wenn der Content und nicht die Creator:innen mit den Follower:innen im Mittelpunkt stehen. Der Rat der OMR-Speaker:innen: Lieber weniger Menschen ansprechen, aber dafür diejenigen, die deine Marke als Lovebrand bezeichnen und gerne die Produkte nutzen. Somit wird die aktive Community und Interaktion gefördert. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung des WhatsApp Newsletter – dieser beinhaltet kostenpflichtige Push-Benachrichtigungen, die Marken als WhatsApp-Nachricht an ihre Kund:innen schicken können. Der Newsletter erreicht bis zu 5.000 Personen.
  5. Creator Fonds
    Pool aus Tausenden Creator:innen bei Snapchat und Tiktok, die für die Erstellung authentischer, unterhaltsamer und ansprechender Videoinhalte belohnt werden sollen. Hierbei wird in Zukunft interessant, wofür Unternehmen bei den Fonds zahlen werden und worauf sich die Social Media Plattformen fokussieren:a) TikTok konzentriert sich auf langen Videocontent: die Unternehmen sollen künftig für Creator:innen-Videos, die länger als eine Minute sind, bezahlen
    b) Bei Snapchat richtet sich der Fokus auf die Community und wie viele Follower:innen der:die einzelne Creator:in mitbringt.Der Creator Fond bietet Content-Ersteller:innen die Chance, ihre Inhalte zu monetarisieren und finanzielle Belohnungen basierend auf der Leistung ihrer Videos zu erhalten. Ziel ist es, dabei die Kreation von einzigartigen, kreativen und ansprechenden Inhalten. Gleichzeitig bieten die Fonds Marken die Möglichkeit, aufstrebende Talente zu unterstützen und gemeinsam ihre Reichweite sowie das Publikum zu vergrößern

„Wir alle müssen uns auf die Community und die aktive Interaktion fokussieren. Mit Ehrlichkeit, Authentizität und direkter Kommunikation überzeugen Marken ihre Fans.
Ann-Kathrin Schmitz

Und kein Wort zu Künstlicher Intelligenz bei all den Marketing-Themen? Doch, natürlich! 

Bei einer kleinen Live-Vorführung sorgte Ann-Katrin Schmitz für einen Wow-Moment im Publikum. Um das Potenzial von KI für die Creator Economy zu demonstrieren, holte sie einen Zuschauer auf die Bühne. Oben angekommen sprach dieser einen kurzen Text ins Handy und Mikrofon. Wenige Sekunden später hallten die gleichen Worte durch den Saal – jedoch mit Schmitz’ Stimme. Beeindruckend.

Voice Cloning nennt sich diese Deepfake-Technologie. Sie wird verwendet, um menschliche Stimmen zu analysieren und dann zu replizieren. Was in diesem Fall harmlos erscheint, birgt aber auch Gefahren, wie Internet-Ikone Sascha Lobo jüngst bei Markus Lanz demonstrierte.

Ein Mann, eine Mission: Google übertrumpfen

Die OMR wäre aber nicht die OMR, wenn es keine Neuheiten aus dem Bereich Suchmaschinen geben würde: Wie sieht die „Future of Search“ aus? Haben wir bald eine noch einfachere Möglichkeit, vertrauenswürdige Suchergebnisse zu erhalten?

Ja, wenn es nach Richard Socher geht. Der gebürtige Dresdner und einstige Chefwissenschaftler bei Salesforce gehört zu den bedeutendsten Experten für Künstliche Intelligenz und Large Language Models. Dass die KI-Technologie in den letzten Jahren so große Sprünge machen konnte, hat die Tech-Branche nicht zuletzt seiner Forschung zu verdanken.

Die Zukunft der Suche liegt in der Zukunft der Sprachverarbeitung."
Richard Socher auf der OMR

Auf der OMR gab er Einblicke in die Arbeit seines Start-Ups You.com – einer neuen, innovativen Suchmaschine. Google als größte Suchmaschine der Welt ablösen? Genau das hat Socher vor. You.com positioniert sich als die weltweit erste offene „Suchmaschinen-Plattform“. Die Vorteile sind u.a. mehr Datenschutz, privaten Anzeigen ohne Cookies sowie keine Weitergabe von Nutzerdaten durch Dritte. Die Suchmaschine liefert geforderte Informationen, Stand heute, im Chat-Format – egal ob als Text, Bild, Grafik oder Tabelle.

Gründer geben Einblicke in ihre Erfolgsrezepte

Auch eine Erkenntnis der OMR: Manche Dinge ändern sich nicht. Wenn etwa Starinvestor Carsten Maschmeyer über die Gründung von Startups redet, ist die Halle bis auf den letzten Platz gefüllt. 

„Start small, think BIG – So machst du ein Start-Up groß“:  Auf welche Faktoren kommt es an, damit neu gegründete Unternehmen fit und erfolgreich für die Zukunft werden? Der Investor aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen” und weitere Gründer:innen, wie Sophie Kühn, Noel Bollmann und Benjamin Kremer, nannten uns ihre Erfolgsrezepte:

  1. Investiert all eure Kraft in die Idee, damit das Produkt auch wirklich erfolgversprechend ist. Mittlerweile sind Investor:innen kritischer, fordern mehr Professionalität und investieren nicht mehr so vorschnell. 
  2. Tretet in den sozialen Medien als Markenbotschafter:innen auf, indem ihr eure eigenen Geschichten erzählt. Damit stellt ihr eine persönliche Verbindung zwischen eurem Unternehmen und der Community her und werten eure Produkte auf.
  3. Seid ständig am Networken. Neben der Personal Brand braucht jede:r Gründer:in ein Netzwerk („You’re not working, when you don’t network“). Ständiger Kontakt ist das A und O, um die Stake- und Shareholder-Beziehungen zu pflegen.
  4. Legt euren Fokus auf den Vertrieb. Carsten Maschmeyer betont: Alles, was Geld bringt, gilt es zu fördern. Denn der langfristige Erfolg von Startups bemisst sich einzig und allein daran, dass Gründer:innen monetär erfolgreich sind.

Frauenpower auf der OMR

Auf der OMR standen außerdem viele Frauen im Rampenlicht. Von der Tennislegende  Serena Williams über Fitness-Influencerin Pamela Reif bis hin zu Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer – die Zuschauer:innen konnten sich auf viele interessante Speakerinnen freuen. 

Der Vortrag von Ann-Sophie Claus, Gründerin des Start-ups The Female Company, hat uns besonders imponiert. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie es geschafft, die bekannteste Direct-to-Consumer-Marke im Bereich Menstruationshygiene aufzubauen. Das Erfolgsgeheimnis: Provokative und kreative Marketingkampagnen, die polarisieren. Dadurch rücken sowohl das Unternehmen als auch die Botschaft ins Rampenlicht:  Die Menstruation zu enttabuisieren und Periodenarmut zu bekämpfen. Die wohl bedeutendste Errungenschaften von The Female Company war die Senkung der „Tamponsteuer“ im Jahr 2020.

Hintergrund: In Deutschland wurden Tampons zuvor mit 19 Prozent besteuert –  Luxusgüter wie Kaviar, Trüffel und Champagner nur mit 7 Prozent. Eine zum damaligen Zeitpunkt verrückte, aber reale Situation. Mit einer großartigen Aktion hat das junge Unternehmen um Ann-Sophie Claus aufgezeigt, dass das deutsche Steuersystem frauenfeindlich ist. Um die höhere Steuerlast zu umgehen, veröffentlichte das Unternehmen das „Tampon Book", in dem 15 Bio-Tampons „versteckt" waren. Bücher werden nämlich ebenfalls nur mit 7 Prozent besteuert.

Die Maßnahme war ein großer Erfolg – die Tampon Books innerhalb eines Tages ausverkauft. Die Aktion führte zu Debatten im Bundestag und schließlich zur Verabschiedung eines neuen Jahressteuergesetzes – inkl.  Steuersenkung für Tampons. Chapeau!

Zwei aufregende Tage voll inspirierender Vorträge liegen hinter uns. Während für einige der Hype übertrieben und das Event überkommerzialisiert erscheint, betrachten wir die Messe dennoch als wichtige Plattform für die neuesten Entwicklungen und Trends im Online-Marketing. 

Im darauf folgenden OMR-Bashing steckt unseres Erachtens viel Wichtigtuerei (und Wissen um den LinkedIn-Algorithmus). Aber ja, auch wir hätten uns an einigen Stellen mehr Tiefgang bei den Vorträgen gewünscht, weniger Eigenwerbung und weniger Gedrängel an den Eingängen. Und ein paar Zukunftsideen hätten durchaus mehr Raum verdient (ein Jeremy Fragrance eher weniger).

Fakt ist jedoch: Es gibt keinen anderen Ort in Deutschland, wo man sich in zwei Tagen so gut zum Marketing der Gegenwart und Zukunft aufladen lassen kann. Wir kommen wieder!