Der scheidende VW-Chef Herbert Diess hat das Business-Netzwerk wie kein anderer deutscher CEO verstanden und für seine Zwecke genutzt. Vier Punkte, die Manager:innen sich für ihre LinkedIn-Kommunikation abschauen können.

Was Michael J. Fox und Herbert Diess verbindet? Es ist das vermutlich prägnanteste Bild, das der „Zurück in die Zukunft“-Star und der scheidende VW-Chef im kollektiven Gedächtnis hinterlassen. Bei Fox sind es seine cineastischen Ritte auf dem Hoverboard, bei Diess ist es die sehr ähnlich anmutende Performance mit einem Elektro-Surfbrett auf dem See am Wolfsburger VW-Werk.

Was Michael J. Fox und Herbert Diess unterscheidet? Im Bemühen um mediale Sichtbarkeit musste der US-Schauspieler einst oft monatelang warten, bis der nächste Streifen in die Kinos kam. Diess hingegen kann sich quasi in Echtzeit und ohne Gatekeeper in die Massenmedien beamen – vor allem dank LinkedIn, wo das Action-Video auch seine Filmpremiere hatte.

Zum Ende von Diess’ Amtszeit ziehen wir Resümee:

1. LinkedIn hat direkten Business-Impact

„LinkedIn ist für mich nicht nur ein kommunikatives Medium, es ist längst auch ein Management-Tool“, sagte Diess einmal in einem Podcast von Online Marketing Rockstars. Er hat die Plattform vor allem dafür eingesetzt, seine Sicht auf die strategische Ausrichtung von VW ungefiltert (so dass in großen Corporate-Comms-Strukturen möglich ist) zu vermitteln. Um den Fokus auf die von ihm stark propagierte E-Mobilität zu stärken, riet er einmal sogar indirekt vom Kauf eines Verbrenners ab und rechnete vor, wie teuer die entsprechenden VW-Modelle sind. 30 Minuten nach seinem LinkedIn-Post war die Nachricht Top-Meldung bei Spiegel Online. Schneller ist keine Pressemitteilung.

Langfristig stellt sich die Frage, wie sehr Executives die klassischen Medien überhaupt noch brauchen: Schon heute hat LinkedIn mit 12,9 Millionen aktiven Nutzer:innen pro Monat in Deutschland mehr Reichweite als die Tagesschau (11,8 Mio.). Ganz zu schweigen von einer „scheinbar“ so großen Zeitung wie der FAZ (960.000).

Weniger produktbezogen, sondern lobbyistischer Natur waren Diess’ Forderungen zur Bundestagswahl 2021: „Wir wünschen uns, dass folgende 10 Punkte in die Verhandlungen mit einfließen“, erklärte er in einem Post. Solche Inhalte lösen keine Lobbyarbeit ab, aber sie flankieren sie und verankern die Botschaften im kollektiven Gedächtnis. Denn was (theoretisch) 12,9 Millionen Menschen lesen können, hat mehr Gewicht als das, was nur in Hinterzimmern diskutiert wird.

LinkedIn hat direkten Business-Impact – das sehen auch wir als Kommunikationsagentur in immer mehr Projekten, bei denen wir helfen, Corporate Ambassadors zu positionieren: Sei es bei der strategischen Positionierung wie bei Diess, sei es im Vertrieb, beim Recruiting oder im Kunden-Dialog.

2. LinkedIn ist das neue Intranet

Diess hat verstanden, dass soziale Netzwerke nicht nur externe Kanäle sind. Unternehmen wie auch Führungskräfte senden hier ganz stark auch nach innen. Bei vielen Profilen sind 30 bis 50 Prozent der aktiven Nutzer:innen Interne. „Früher hat man eine Woche auf Feedback gewartet, heute bekomme ich Feedback sofort und ungefiltert”, sagte Diess einmal. „Ich sehe sofort an Fragen, die kommen, ob verstanden wurde, was ich gesagt habe.“ 

Ein Top-Manager, den wir mit In A Nutshell betreuen, bestätigt das: „Natürlich kann ich auch eine Stellungnahme ins Intranet setzen lassen. Aber ganz ehrlich: Wer liest das denn da? Auf LinkedIn habe ich fünfmal so viel Reichweite.“

LinkedIn: Welcher ist der beste Tag zum Posten?

Bei den Reaktionen schneidet das Business-Netzwerk sogar noch besser ab: Während sich viele Mitarbeitenden schwertun, in so offiziellen Medien wie dem firmeneigenen Intranet zu liken oder zu kommentieren, gehen sie bei LinkedIn viel öfter in den Dialog – oft sogar mit sehr substanziellem Feedback, vor allem über persönliche Direktnachrichten.

Auch als Vorbild hat Diess nach innen gewirkt. Wir stellen in diversen Agenturprojekten fest: Wenn Top Executives sich aktiv in Social Media einbringen, steigt signifikant die Bereitschaft von Mitarbeitenden, ebenfalls berufliche Inhalte auf LinkedIn, Twitter und Instagram zu posten. Kurz: Ohne „Social CEO“ ist eine Corporate-Ambassador-Kultur schwer zu erreichen.

An Grenzen stößt LinkedIn in der internen Kommunikation allerdings dort, wenn die Themen kritisch werden – auch dafür ist Diess das beste Beispiel. Wenige Stunden, bevor sein Abgang publik wurde, verabschiedete er sich per LinkedIn-Post. Allerdings nicht von seinem Job, sondern in den Urlaub – ohne ein Wort von der Demission.

3. LinkedIn stärkt die Mitarbeiter:innenbindung

Als Recruiting-Tools sind Business-Netzwerke wie LinkedIn oder Xing schon lange bekannt. Wer über Corporate Ambassadors persönliche Geschichten aus dem Unternehmen erzählt und zugleich passende Job-Ads schaltet, tut sich im Kampf um Talente deutlich leichter als der Wettbewerb. Auch die Mitarbeiter:innenbindung lässt sich über LinkedIn unterstützen.

Daher widmet sich Diess, der sich regelmäßig selbst in Diskussionen unter seinen Posts eingebracht hat, dort auch vor allem „seinen“ Leuten. Bestes Beispiel war dieser Beitrag: Eric Wurzel, Mitarbeiter aus der VW-Logistik, bekam eine Antwort – Star-Investor Frank Thelen nicht.

Zum anderen stärkt LinkedIn das Community-Gefühl: Bei einem Finanzkunden haben wir eine sehr erfolgreiche interne Charity-Aktion kommunikativ begleitet. Das Unternehmen hatte intern dazu aufgerufen, in der Pandemie für den guten Zweck joggen zu gehen – pro Kilometer gab es einen Euro Spende. Die Challenge wurde von Beginn an mit Selfies und Minivideos der Kolleg:innen auf LinkedIn begleitet. Mancher Top-Manager lief selbst mit und verteilte zudem fleißig Lob und Likes. Bei der abschließenden Umfrage kam heraus, dass gerade diese Form des digitalen Community Buildings Teilhabe und Spaß massiv gesteigert hätten. Um es in der Social-Media-Sprache zu sagen: #DerStarIstDasTeam.

4. LinkedIn muss man selbst machen

Diess war auch daher so erfolgreich und zielte zuletzt als erster deutscher Top-Manager Richtung 300.000 Follower, weil er sich selbst von Beginn an eingebracht hat. Wir haben im Rahmen unseres laufenden Social-CEO-Monitorings die Followerzahlen der DAX-Leader verfolgt, und sie zeigen, wie sehr Diess seine Peergroup abgehängt hat:

Erstens lag das daran, dass er sehr aktiv war: In manchen Monaten postet Diess jeden zweiten Tag – laut der Zahlen unseres Social-CEO-Monitorings waren das 50 Prozent mehr als der Durchschnitt. Von seinen Dax-Peers war nur Ola Källenius von Mercedes noch aktiver. Twitter nutzte Diess übrigens auch, aber eher als Zubringer für seine LinkedIn-Posts.

Zweitens war er selbst sehr stark involviert, saß jeden Montag bis zu zwei Stunden mit seinem Kommunikationsteam zusammen und plante neue Storys, fotografierte Selfies und stellte sich Fragen und Kritik in den Kommentaren.

Entsprechend hoch war die Engagement Rate (Anteil der User:innen, die liken, teilen oder kommentieren bezogen auf die Zahl der Follower:innen) unter seinen Posts. Gerade 2021, also bevor sich sein Abgang bei VW konkretisierte, lag diese wichtigste KPI in manchen Monaten bei über 20 Prozent.

LinkedIn-Workshops und Trainings – individuell und praxisorientiert 

Zum Vergleich: Corporate-Seiten von DAX kamen im gleichen Zeitraum im Schnitt auf 1,4 Prozent Engagement. Menschen wollen eben mit Menschen reden. Auch das hat Diess verstanden. 

CEO-Wechsel – was nun?

Bleibt die Frage: Wie geht es weiter? Der letzte große LinkedIn-CEO in Deutschland vor Diess, Dieter Zetsche, zog sich nach seinem Abgang dort komplett zurück. Er hat zwar noch über 248.000 Follower – aber nur 4 Kontakte, als habe sie jemand konsequent gelöscht. Seitdem hat er auch nicht mehr gepostet. Michael Zahn, ehemals Deutsche Wohnen-Chef, hat es genauso gemacht. 

Rein rechtlich gehört das LinkedIn-Profil der jeweiligen Person und er oder sie nimmt es mit, wenn der Arbeitsvertrag endet. Entsprechend gut vernetzte Mitarbeiter:innen zu verlieren, ist daher bitter, weil sie echtes Business-Kapital darstellen. Auf Executive-Level ist es noch schmerzhafter, wenn über Jahre viel Energie und Arbeitszeit in den Aufbau eines solchen Profils geflossen sind.

Auf VW kommt nun in puncto CEO-Positionierung besonders viel Arbeit zu: Diess-Nachfolger Oliver Blume hat, anders als fast 80 Prozent der Dax-40-Chefs, noch gar kein Social-Media-Profil. 

Timm Rotter, Geschäftsführer

 

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Titelbild: Volkswagen AG